Baukultur in Marl
Seit 2022 veranstaltet das Skultpturenmuseum Glaskasten Marl in Kooperation mit der ruhrmoderne und der Volkshochschule Marl im Frühjahr und Herbst eines Jahres die Vortragsreihe »Baukultur in Marl«. Dabei reichen die Themen von klassischer Architekturgeschichte über Stadtplanung, Kunst am Bau oder Denkmalschutz bis hin zu übergreifenden Themen wie Bautypologien oder bestimmte Akteure.
Der Veranstaltungsort ist die VHS-Stelle in der Wiesestraße 22 in Marl. Die Veranstaltungen sind kostenlos. Um Anmeldung unter 02365/50356699 wird gebeten.
Frühjahr 2025
Was ihr wollt – Rathäuser im Ruhrgebiet zwischen Abriss und Aufbruch
Dr. Alexandra Apfelbaum
Ein Rathaus ist immer auch symbolträchtiges Wahrzeichen und Aushängeschild einer Stadt – und um kaum eine anderes Bauwerk wird so viel gerungen und gestritten. Dieser Vortrag widmet sich der Entwicklung der Rathäuser im Ruhrgebiet nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt steht die architektonische Neugestaltung und der Wiederaufbau der Rathäuser, die als bedeutende Symbole für den Neuanfang der Städte in der Nachkriegszeit fungierten. Es wird untersucht, wie sich der Wiederaufbau der Rathäuser im Kontext des wirtschaftlichen und sozialen Umbruchs der Region vollzog und welche modernen Bauformen und funktionalen Anforderungen in dieser Zeit prägenden Einfluss auf die Gestaltung hatten. Der Vortrag beleuchtet zudem die politische und gesellschaftliche Bedeutung dieser Gebäude in einer Zeit des Wandels.
Herbst 2024
Van den Broek & Bakema.
Niederländische Architekten für Marl
Dr. Alexandra Apfelbaum
Anfang der 1960er-Jahre bauten eine ganze Reihe von Kommunen neue Rathäuser und ausgerechnet Marl hatte dabei als »architektonischer Ausdruck einer demokratischen Gemeinschaft« mit seinem kommunalen Verwaltungsneubau der Architekten und Städtebauer Jo van den Broek und Jaap Bakema eine Vorbildwirkung. Der Vortrag widmet sich dem Werk der beiden niederländischen Strukturalisten und ordnet dabei das Rathaus nicht nur werkgeschichtlich, sondern auch in das zeitgenössische Architekturgeschehen ein und ermöglicht so neue Perspektiven auf den viel diskutierten und aktuell sanierten Bau.
Die »Neue Stadt Wulfen« – Zukunft im Grünen
Prof. Yasemin Utku
Die »Neue Stadt Wulfen«, geplant ab den 1960er Jahren, ist ein anschauliches Beispiel für die neuen städtebaulichen Konzepte in den Nachkriegsjahren im Ruhrgebiet – gepaart mit experimentellem Wohnungsbau. Diese Modellstadt auf der grünen Wiese – heute ein Stadtteil von Dorsten (Wulfen-Barkenberg) – sollte 50.000 Menschen ein Zuhause bieten und sichtbarer Ausdruck einer neuen Industriegesellschaft sein. Heute leben 13.000 Menschen in Wulfen-Barkenberg, was eher einer großen Siedlung entspricht als einer Stadt. Dennoch stellen die Ideen für die Neue Stadt Wulfen bis heute ein besonderes Beispiel für die Nachkriegsmoderne im Ruhrgebiet dar.
Notkirche, Typenkirche, Diasporakirche –
Die Marler Erlöserkirche und Otto Bartnings Architektur
Dr. Hans Hanke
Die 1957 fertiggestellte Erlöserkirche in Marl-Brassert ist der letzte verwirklichte Kirchenbau des berühmten Architekten Otto Bartning (1883 – 1959). Der Entwurf des sehr individuell und innovativ gestalteten evangelischen Kirchengebäudes basiert auf pragmatischen Überlegungen und religiösen Überzeugungen Otto Bartnings. Er hat mit seinen Theorien den gesamten evangelischen Kirchenbau der Nachkriegszeit beeinflusst. Sehr bekannt sind Bartnings sogenannte Notkirchen, die trotz ihrer typisierten Grundgerüste in 43 unterschiedlichen Formen errichtet wurden. Weniger bekannt sind seine frühen evangelischen Diasporakirchen in den überwiegend katholischen Donauländern. Wie, warum oder ob überhaupt sich all das in der zwar denkmalgeschützten, aber entwidmeten Erlöserkirche widerspiegelt, soll Thema des Vortrags sein.
Frühjahr 2024
Wie das Gesetz uns befahl?
Chancen und Grenzen des Denkmalschutzes in Marl und NRW
Dr. Hans Hanke
In Marl hat es in den letzten Jahren Diskussionen um den Denkmalschutz für Gebäude aus der Zeit nach 1945 gegeben. Das Rathaus sowie die Scharoun- und Marshallschule sind darin prominent vertreten. Manches ältere Objekt wurde dagegen einvernehmlich und lautlos in die städtische Liste der Baudenkmäler aufgenommen. Solche Zustimmung oder Ablehnung des Denkmalschutzes von Gebäuden entsteht im öffentlichen Bewusstsein. Nicht zu verwechseln ist das mit dem gesetzlich formulierten öffentlichen Interesse, bauliche Zeugnisse der Stadt- und Landesgeschichte zu schützen und zu pflegen. Die Begriffe ergänzen sich. Am Beispiel einiger Baudenkmäler in Marl und vergleichbarer Objekte an anderen Orten soll gezeigt werden, wie sich im Laufe der Zeit der gesetzliche Denkmalschutz im Rahmen des öffentliche Interesse und im öffentliches Bewusstsein entwickelt hat. Nicht zuletzt ist dabei auch auf Anlass, Geschichte, Aufbau und Zuständigkeiten des staatlichen Denkmalschutzes einzugehen.
Hans Scharoun in Marl
Dr. Alexandra Apfelbaum
Neben dem Geschwister-Scholl-Gymnasium in Lünen ist die Schule an der Westfalenstraße in Marl (1964 – 1970) eine der beiden einzigen realisierten Schulbauten des Architekten Hans Scharoun. Für das damals neue Siedlungsgebiet Drewer-Süd entwickelte er den Prinzipien der organischen Architektur entsprechend den Bau aus seinen inneren Anforderungen heraus. Das Zentrum der Anlage bildet die große Aula, die zur gleichen Zeit wie Scharouns berühmte Berliner Philharmonie entstanden ist und sich durch ihre herausragende Akustik auszeichnet. Nach drohendem Abriss konnte die Schule mit Hilfe einer Initiative erhalten werden und wurde zwischen 2010 und 2015 saniert. Der Vortrag widmet sich dem Architekten Scharoun und beleuchtet seinen Weg ins Ruhrgebiet und nach Marl und verortet diesen besonderen Schulbau im Kontext seines Gesamtwerkes und der zeitgenössischen Architektur.
Architektur in der DDR
Steffen Hering
Die Architektur begann in der DDR wie im gesamten Deutschland nach dem 2. Weltkrieg mit dem Wiederaufbau der zerstörten Städte. Nach Ostberlin mit der Stalinallee setzte es sich im typischen Ulbricht/Stalin-Baustil in anderen Großstädten der DDR fort. Ab 1953 gab es die erste neue sozialistische Stadt östlich von Berlin, Stalinstadt später Eisenhüttenstadt. Hier lässt sich exemplarisch die Entwicklung der Wohnbauten in der DDR besichtigen – nie ausreichende Quantität von neuen Wohnungen vor stets abnehmender Qualität der Bausubstanz. Andere neue Stadtumformungen in Schwedt, Hoyerswerda, Halle Neustadt und viele Neubaugebiete im Plattenbaustil folgten. Der Vortrag stellt interessante Museen, Gaststätten, Kinos, Theater und Kulturhäuser, Sportstätten, Behörden, Fernsehtürme und Hochhäuser sowie Industriebauten vor.
Tactical Urbanism
Chancen und Probleme / Probleme und Chancen
Prof. Dr. Susanna Schaller
In ihrem Buch „Street Fight“ beschreibt New Yorks ehemalige Verkehrsdezernentin 2016 die Taktische Urbanistik als Guerilla-Urbanismus, auch wenn sie von der Stadtregierung strategisch entwickelt wurde, um Opposition bestimmter Interessen und „obsoletes Denken“, die der Mobilitätswende und der Umstrukturierung des öffentlichen Raums im Wege standen, zu überwinden. Die Stadt setzte kostengünstige Materialen, wie grüne Farbe, bewegliches Stadtmobiliar und Pflanzenbottiche ein, um die Straße dem Autoverkehr zu entziehen und den Menschen als Ort des Aufenthaltes wiederzugeben. Diese Umgestaltung hat sich in großen Teilen der Stadt bewährt, indem sie Gegenstimmung überwand. So gab die Stadt Impulse zu einer neuen Ära der Verkehrsplanung. Der Tactical Urbanism kann auch als Methodik für eine partizipative Planung eingesetzt werden, um das Bürgerengagement in der Gestaltung des urbanen Lebens zu aktivieren.
Herbst 2023
MARL – Stimmt die Chemie?
Prof. Dr. Ingrid Krau
Marl, die Zechen und die Chemie wurden als Wohlstand sicherndes Erbe gedacht, ohne Arbeit keine Kultur und Bildung, ohne Kultur und Bildung keine Stadt. Das ist wieder hochaktuell. Was gibt das Band zwischen Chemie und Bürger*innen, zwischen Arbeit, Kultur und Bildung heute her? Was kann und könnte es hergeben? Soll man es weiter aus der Sicht der New Economy sehen, die die Reichen reicher und die Stadt der Vielen zu Armen werden lässt? Die Referentin zeigt Wege der Selbstbehauptung von Stadt und Bürgerschaft auf, auch mit der Chemieindustrie.
Rauchende Schlote und saubere Wäsche.
Repräsentationen des Ruhrgebiets in fotografischen Bildbänden und Werbefilmen der Nachkriegszeit
Prof. Dr. Rolf Sachsse
Um 1960 ist die Bundesrepublik Deutschland wieder ein ökonomisch starker Industriestaat mit den entsprechenden Bedürfnissen an Arbeitsplätzen. Um Menschen in die wieder aufgebauten oder neu gegründeten Industriestädte zu locken, ist fast jedes (Werbe-)Mittel recht: Messestände, Prospekte, Bildbände und eben auch kurze Filme, die in Wochenschau- oder Vorfilm-Programmen laufen. Vorbilder für diese Filme gibt es ebenso wie für die schicken Bildbände, die das Leben in der Stadt in schönstem Licht und pastellenen Farben schildern. Am Beispiel von Marl und einigen anderen Städten des nördlichen Ruhrgebiets sollen derartige Beispiele von Bildbänden und Kurzfilmen gezeigt werden, samt deren Vorläufern und Nachwirkungen in heutigen Internet-Präsentationen.
Frühjahr 2023
Mehr als Stahlschachteln und Betonmonster.
Nachkriegsarchitektur in Marl
Dr. Alexandra Apfelbaum
Die Architektur der Nachkriegsmoderne hat nicht den besten Ruf. In den 1950er bis 1980er Jahren sind in Deutschlands Städten vor allem Gebäude entstanden, die heute oft als »Stahlschachteln und Betonmonster« bezeichnet werden. Aber sind die Gebäude wirklich so unästhetisch? Der Vortrag betrachtet die Architektur dieser Zeit aus einem anderen Blickwinkel und stellt dabei Marl in den Fokus: In welchem Kontext sind sie entstanden? Was zeichnet Bauformen, Gestaltung, Baumaterialien und Konstruktionsweisen aus? Wo gibt es typische Bauten und wo eher durchschnittliche Beispiele?
Kirchenbau nach 1945 in Marl
Dr. Hans Hanke
Neunzehn evangelische und katholische Kirchen wurden in Marl von 1952 bis 1979 gebaut. Fünf sind heute als Baudenkmäler geschützt, aber auch unter den anderen Andachtsstätten sind beachtliche Entwürfe und Ausstattungen zu entdecken. Namhafte und weniger bekannte Architekten und Künstler verwirklichten Orte, die einer modernen Glaubensauffassung angemessenen Raum boten und größtenteils noch bieten. Im Vortrag sollen die meisten Kirchen in ihren ursprünglichen Ideen vorgestellt werden.
Umnutzung von Kirchengebäuden in Gelsenkirchen
Clemens Arens
Immer weniger Kirchengebäude können insbesondere aufgrund der kontinuierlich abnehmenden Zahl an Kirchenmitgliedern in ihrer heutigen sakralen Nutzung erhalten bleiben. Anhand ausgewählter Beispiele wird ein Querschnitt von baulichen und funktionalen Kirchenumnutzungen vorgestellt sowie dazugehörige Planungs- und Entscheidungsfindungsprozesse.
Als die Zukunft gebaut wurde.
Eine Kampagne für die Nachkriegsarchitektur im Ruhrgebiet
Prof. Tim Rieniets
Die Vergangenheit hinter sich lassen und eine bessere Zukunft aufbauen – das war der Geist der Nachkriegszeit. Heute ist diese Zeit längst Geschichte, aber geblieben ist ihre Architektur: Moderne Schulen, Universitäten und Rathäuser, Kirchen, Kaufhäuser und Wohnsiedlungen. Besonders eindrucksvolle Beispiele sind im Ruhrgebiet zu finden, wo der Wiederaufbau und die Wirtschaftswunderzeit besonders intensiv erlebt wurden. Inzwischen ist das bauliche Erbe dieser Zeit bedroht. Viele bedeutende Bauwerke wurden bereits abgerissen und weitere werden folgen. Um dem entgegenzuwirken, hat Tim Rieniets 2018 mit der Landesinitiative StadtBauKultur NRW eine Kampagne gestartet. In seinem Vortrag berichtet er von seinen Erfahrungen und einigen der aufregendsten Gebäude des Ruhrgebiets.
2022
Das Rathaus Marl – Gebaute Utopie?
Dr. Alexandra Apfelbaum
Der Rathauskomplex der Stadt Marl der niederländischen Architekten Bakema und van den Broek ist im Kontext seiner Entstehung und der an ihn gestellten Ansprüche ausgesprochen außergewöhnlich. Ob sozialgesellschaftlich, baukulturell oder auch ästhetisch betrachtet, in seiner baulichen Disposition, Konstruktion und Materialität, zeigen sich Fortschrittsglaube und Innovationswillen der nachkriegszeitlichen Stadtgesellschaft. Nach langen Diskussionen in den politischen Gremien, aber auch in der Marler Bevölkerung um seinen Erhalt, wurde das Gebäude 2015 unter Denkmalschutz gestellt und seine umfassende Sanierung beschlossen, mit der 2018 begonnen wurde. Der Vortrag widmete sich der Geschichte des Bauwerks und seiner Bedeutung im architekturgeschichtlichen Kontext.
Philharmonica Hungarica – eine Marler Geschichte
Carsten Müller
Nach dem Ungarnaufstand von 1956 gründeten geflüchtete Musiker:innen das Exil-Orchester Philharmonia Hungarica in der Nähe von Wien. Auf der Suche nach einer Heimstadt landeten sie schließlich in Marl. Dort wurden ihnen ideale Wohn- und Arbeitsbedingungen versprochen. Noch heute sind »Ungarnsiedlung« und »Gulaschbunker« sichtbare Zeugnisse im Stadtbild Marls. Doch hat die Stadt Marl ihre Versprechungen gegenüber der Philharmonia Hungarica eingelöst? Aus Ergebnissen zahlreicher Recherchen und aus Interviews mit Mitgliedern soll dieser Vortrag eine ungewöhnliche Geschichte erzählen.
Die Bereitschaftssiedlung in Marl. Ein Baudenkmal aus der NS-Zeit
Dr. Hans Hanke
Zum Siedlungsbau aus der NS-Zeit gehört die Bereitschaftssiedlung in Marl, 1938 bis 1942 mit hohem gestalterischen Aufwand erbaut für die Chemischen Werke Hüls. Entworfen wurde die Anlage vom Chefarchitekten der IG Farben Clemens Anders sowie dem Leiter des Gartenwesens der IG Farben Max Fischer. Die Siedlung steht seit 2003 unter Denkmalschutz – ein mahnendes Dokument der Zeit.
Ruhrmoderne e. V.
c/o Baukunstarchiv NRW
Ostwall 7
44135 Dortmund
info@ruhrmoderne.de
Ruhrmoderne e. V.
c/o Baukunstarchiv NRW
Ostwall 7
44135 Dortmund
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